Kunstgeschichtliche Beschreibung zum frömmigkeitsgeschichtliche Einordnung anlässlich ihrer umfassenden Renovierung 2002 – 2004
Die Katharinen-Kapelle zu Ahrbrück wurde in den steilen Berhang des Felsmassivs oberhalb des Ortsteils rechts der Ahr errichtet, wo der Kesselinger Bach in die Ahr mündet. Zwei umfangreiche Restaurierungen haben der Kapelle in den letzten Jahren jene leuchtende Ockerfarbe wiedergegeben, gemäß Befund am alten Putz,i wodurch der kleine Bau von etwa 15m mal 5m Grundfläche den Talkessel beherrscht. Der Chor schließt in drei Seiten des Achtecks, das kurze Langhaus trägt auf hohem Satteldach einen viereckigen Dachreiter mit spitzem achtseitigem Helm. Nach Süden und Westen wenige unscheinbare Flachbogenfenster im Holzrahmen, der einzige Zugang befindet sich in der Südwand des Langhauses, wegen der Hanglage und des Fehlens eines ebenen Vorplatzes nur durch Stufen zu erreichen.Im Inneren der Kapelle besitzt das Langhaus eine hölzerne Empore aus dem 18. Jahrhundert, die verzapften Balken der Brüstung zeigen schlichte, jetzt farbig gefasste Kerbschnitzereien an den Kreuzungspunkten der Balken.Das Langhaus hat eine verputzte Flachdecke. Der mit kräftigem Spitzbogen geöffnete Chor ist gewölbt in Form einer Flachtonne. Zwei Stufen führen hinauf zum Chor. Insgesamt besitzt die Kapelle noch ihren alten Fußboden aus ungeschliffenen großen Schieferplatten. Unterschiedliche Ausrichtung der Wände von Chor und Langhaus, Mauerfugen zwischen Langhauswänden und deren Anbindung an die westlichen Chorwand mit der Spitzbogenöffnung, sowie die unterschiedliche Ausrichtung des gleich hohen Dachfirstes von Chor und Langhaus sind Hinweise dafür, dass der Chor noch dem 16. Jahrhundert angehört,ii an den im 17. Jahrhundert das heutige Langhaus angefügt wurde.
Der Altar gehört zur Gruppe der in der Eifel häufig anzutreffenden Tuffstein-Altarretabel mit einem eindrucksvollen Vesperbildrelief, das das gesamte Mittelfeld des Altaraufbaus einnimmt. Maria richtet ihren Blick auf den Betrachter. Auf ihrem Schoß ruht blutüberströmt der Leichnam ihres Sohnes, dessen Haupt und Arme in barocker Manier leblos zu Boden sinken. Die Wunden der Nägel an Händen und Füßen weisen auf seinen Kreuzestod hin. - auf dem Altar vor diesem Bild vollzieht sich in jeder hl. Messe Jesu Kreuzestod unblutig als sakramentale Gegenwart.Das Mittelfeld des Altars wird flankiert von einer (neuen) Statue der hl. Katharina, der Patronin der Kapelle, und von einer (alten) Statue des hl. Matthias, des Patrons des Bistums Trier. Die Altarwangen mit Engelköpfen in Knorpelornament sind typisch für die Zeit kurz vor 1700. Im Rundbogenfeld des Aufsatzes ein Hochrelief der Flucht nach Ägypten: Der Künstler hat die Szene in eine lebendige Eifeler Waldlandschaft verlegt! Der Altar wird bekrönt mit einer ausdrucksvollen kleinen Statue der schmerzhaften Muttergottes.Ähnliche, vielleicht etwas ältere Tuffsteinaltaraufsätze befinden sich in der Rochus-Kapelle in Denn (heute Ortsteil von Ahrbrück) und in der Lüfthildis-Kapelle in Staffel.
Ein Antependium hat sich erhalten, dessen Vorderseite jedenfalls durch Restaurierung gerettet werden kann. Ein Antependium ist eine oft auf beiden Seiten bemalte Leinwand, die vor den Altartisch gehängt und je nach Festzeit oder passend zum Anlass des Gottesdienstes gewendet oder ausgewechselt werden konnte. Das erhaltene Antependium von Ahrbrück stammt aus der Zeit nach 1700 und zeigt auf der Vorderseite Barbara und Katharina.iii Da die mehrfach gerissene Leinwand neu aufgezogen werden muss, lässt sich die Rückseite mit einer Darstellung der Armen Seelen im Fegefeuer kaum mehr erhalten. Das Antependium befindet sich seit einiger Zeit beim Restaurator (Anm.: zwischenzeitlich in der Katharinenkapelle ausgestellt).
Zwei andere Kunstwerke von besonderem Interesse werden in der Kapelle ihre Aufstellung finden (Anm.: Vesperbild zwischenzeitlich ausgestellt): Ein farbig gefasstes hölzernes Vesperbild des 15. Jahrhunderts.iv Die trauernde Maria schaut über den Leichnam Jesu hinweg, wie nachsinnend über eine bessere Zukunft. Blutüberströmt, wie ein Kind von den Händen der Mutter festgehalten, hilflos und erstaunlich klein, ruht der geschundene Leichnam Jesu im Schoß Mariens. Die spätgotischen Gestaltungselemente haben ihre symbolische Bedeutung: Aus der Seitenwunde ergießt sich ein Strom von Blut; die Wundmale der Nägel sind durch Bluttrauben hervorgehoben, beides Verbildlichungen des „für uns vergossenen Blutes“, Hinweise auf die Eucharistie und die Wandlungsworte über den Wein bei der hl. Messe. Maria trägt einen rot gefütterten dunkelgrünen Mantel, der als Schleier auch ihr Haupt bedeckt und ihr goldenes Untergewand hervorleuchten lässt: sie ist die durch Christus ganz erlöste „neue Schöpfung“ und „voll der Gnade“... Die Herkunft dieses Vesperbildes ist nicht überliefert. Vielleicht stammt es aus einem zerstörten Bildstock der Gemarkung Denn.
Die Herkunft des leider nur als Torso erhaltenen Tuffsteinreliefs Jesus und Maria mit den zwölf Aposteln steht dagegen fest: Das Steinbildwerk befand sich bis Ende des Zweiten Weltkriegs in einem Bildstock an der Hauptstraße gegenüber der Ahrbrücke, rechts neben dem Fußweg, der zur Katharinenkapelle hinaufführt.v Es handelt sich um die seltene Darstellung des Abschieds Jesu von seiner Mutter, als er seine Predigttätigkeit beginnt und in Begleitung der Jünger die Städte und Dörfer Palästinas durchwandert.viAn dieser Stelle scheint es sinnvoll auch über die Ahrbrücke zu sprechen: 1892 wurde sie durch die preußische Bauverwaltung errichtet. „Mit der Folge von fünf gleichen Bögen auf massiven Pfeilern nahm sie einen Bautypus auf, der seit dem ausgehenden Mittelalter im Rheinland oft anzutreffen und im 19. Jahrhundert zu künstlerischer Blüte gekommen ist. In der Verwendung des regionalen Natursteinmaterials sollte auch eine Demonstration heimischer Bauwirtschaft deutlich gemacht werden. Wenn diese Brücke in der von der Straßenverwaltung Rheinland-Pfalz geführten Auflistung historischer Brücken einen bedeutenden Platz hat und wenn bei der jüngst abgeschlossenen Renovierungsarbeiten Erscheinungsbild und Querschnitt [Breite] beibehalten werden konnten, so ist dies ein gutes Zeichen für die aktuelle Berücksichtigung denkmalpflegerischer Belange bei den Dienststellen des Straßenbaus.“viiDurch den Ortsnamen begründet (Anm.: weitere Meinung zum Ortnamen – Geht auf das Geschlecht derer von Brügge zurück) und durch Urkunden seit dem 13. Jahrhundert belegt, gab es Vorgängerbauten der heutigen Brücke seit dem Hohen Mittelalter wegen der hier zusammentreffenden verschiedenen Täler und Weg nach Lind und Kesseling, vielleicht Holzkonstruktionen, die nach größeren Ahrhochwassern jeweils neu errichtet werden mussten.In der Anbindung der Ahrbrücke an die Hauptstraße ergab sich von Anfang an eien Art Dorfplatz, won man sich zum Feiern traf, - wo die „Bekanntmachungen“ und die Verordnungen der Gemeinde- und Bezirksverwaltungen verlesen wurden. Hier pflanzte man im Jubiläumsjahr 1913 eine „Freiheitslinde“,viii in deren Schatten „der Bär“ errichtet wurde, - wie in Hönnigen und Pützfeld und in manch anderem Dorf des ehemaligen Kreises Adenau, ein Steinmal aus einem mannshohen Querzblock auf einem Sockel aus kleineren Quarzsteinen: Erinnerung an die 100 Jahre der Befreiung von der französischen Besatzung und an die 25 Jahre der glorreichen Regierung Kaiser Wilhelms II., - so zugleich demonstratives Zeichen „vaterländischer Treue“ zur preußischen Regierung. Heute fristen diese Quarzmale ein eher kümmerliches Dasein, da Ursprung und Bedeutung dieser Kuriosa unserer Geschichte unbekannt sind.
Abschließende Anmerkungen zur geographischen Lage, zum Patrozinium und zum finanziellen Unterhalt der Katharinen-Kapelle zu Ahrbrück
Die ungewöhnliche geographische Lage der Katharinen-Kapelle an steilem Berghang, oberhalb des Ortsteils an der Mündung des Kesselinger Bachs in die Ahr, weckt die Neugier der Touristen und regt zu Übrelegungen über ihre Gründung an. Wo sich anernorts Dörfer ins enge Ahrtal zwängen und eine Kapelle noch Platz zwischen den Häusern findet, um mit diesen die Gefährdung durch das Ahrhochwasser zu teilen wie in Reimerzhofen – oder völliger Vernichtung durch die Hochwasserfluten anheim geben wie in Laach bei Mayschoss....Warum errichtete man die Katharinen-Kapelle nicht im Ortskern links der Ahr – wie im Benachbarten Liers – oder in Nähe der Brücke, die dem Ort den Namen gab (Anm.: s. vorherige anderslautende Meinung)?In Ahrbrück befindet sich die Kapelle an einem steilen Pfad, der über ein Felsjoch hinweg zum „Wolfsgraben“ oberhalb Pützfeld führt, einer alten Ding- (Thing-) und Richtstätte des Hochgerichts der Grafschaft Are, nach 1246 des kurkölnischen Amtes Altenahr.ixAn diesem Pfad befand sich oberhalb der Katharinen-Kapelle nach Ausweis alter Karten ein Bleibergwerk.Nach erhaltenen Rechnungen und Kaufverträgen von 1514 erwarb der Burggraf von altenahr jährlich mehrere Zentner Blei aus Gruben und Stollen in der Gemarkung Brück. Auf dem Weg nach Lind und im parallel laufenden Pütztal befanden sich Stollen.x Im 18. Jahrhundert wurden Bergbaukonzessionen im Kesselinger Tal bis Watzel und Beidenbach auf Zink- und Bleierz vergeben, die in Brück verhüttet wurden. Die Hütte hat dort gestanden, wo später das Sägewerk, heute Kaufhaus bzw. Café Füssenich (Anm.: jetzt „Ahr-Wind“) steht, an der Mündung des Kesslinger Bachs in die Ahr, also am Fuß jenes Felsens, auf dem die Katharinen-Kapelle steht.xi Mitte des 19. Jahrhunderts und noch gegen Ende des Ersten Weltkriegs 1917/1918 wurden verschiedene Konzessionen auf Abbau von Kupferkies vergeben, der Abbau jedoch mangels Rentabilität alsbald endgültig eingestellt.xiiVon großer Aussagekraft ist schließlich die Tatsache, dass in Brück zwei Bruderschaften bestanden, zur hl. Katharina und zur hl. Barbara, die die Kapelle mit ihren Einkünften unterstützten.xiii Da es sich bei Barbara um die typische Bergbaupatronin handelt,xiv bei Katharina um die Schutzpatronin der Wagner und (Waffen-) Schmiede, zugleich die populärste Gestalt unter den Nothelfern überhaupt, erkennen wir, dass nicht die Dorfgemeinde Erbauer und Betreuer der Kapelle war, sondern die seit je genossenschaftlich organisierten Bergleute. So nimmt es nicht Wunder, dass die Kapelle nicht als Mittelpunkt des Dorfes, sondern an einem für die Bergleute wichtigen Weg und auf einer Anhöhe errichtet wurde, die für sie aus unterschiedlichen Tälern optisch und akustisch gegenwärtig war. So überrascht auch nicht die Überlieferung, dass 1657 eine Katharinenglocke für Brück in Köln umgegossen wurde.xv Sie hatte also schon geraume Zeit ihren Dienst getan, - und ihr Läuten war künftig noch wichtig....Waren die Kapellen von Staffel und Denn – und die etwas später errichtete Marien-Kapelle in Pützfeld Ziel von Wallfahrten aus der Umgebung, - und musste man zur pflichtgemäßen Sonntagsmesse in die Pfarrkirche nach Kesseling, - persönlichen Trost und Kraft zur Bewältigung der ständigen Angst vor Unfällen und jähem Tod fand der Bergmann in der Katharinen-Kapelle von Brück. Hierhin trug er seine Not, hier betete er im Kreis der Angehörigen und Nachbarn vor allem bei Sterbefällen. Das volkstümliche Gebet war immer der Rosenkranz. So ging der Name des Gebetes auf den Weg zur Kapelle über: „Me jon de Rusekranz.“
P. Bernd Schrandt SJ, Bonn-Bad Godesberg, Anfang September 2004
iCustodis, P.-G., Denkmalpflegerische Maßnahmen in Pützfeld und Umgebung, Kapitel „Ortsteil Brück“, Seite 117; in: Ruland, Josef (Hg.), ein ländlilcher Rittersitz an der Ahr – Pützfeld Elfhundert Jahre, Ahrbrück 1993
ii--- Wird nachgeliefert
iiiIn der Rochuskapelle zu Denn zeigt das wiederhergestellte Antependium die beiden Pestpatrone Rochus und Sebastian; in der Pfarrkirche von Bad Breisig, Ortsteil Niederbreisig, besitzen alle drei Altäre noch ihre ursprünglichen, spätbarocken Antependien; in der historischen Pfarrkirche von Hellenthal-Reifferscheid hat man eine ganze Serie von beidseitig wiederhergestellten Antependien zur Betrachtung ausgestellt.
ivClemen, a.a.O. S. 680 „Nachträge“
vClemen, a.a.O. S. 216
viSiehe Artikel „Abschied Jesu von Maria“ in: Lexikon der christlichen Ikonographie (LCI), Band 1, Allgemeine Ikonagraphie A-E, Spalte 35f
viiCustodis, a.a.O. S. 118
viiiÜber die Festfeiern des Jahres 1913 berichtet die Schulchronik. Dass das Jubiläumsjahr 1913 in den einzelnen Gegenden und Orten sehr unterschiedlich begangen wurde, beweist der Artikel: Prothmann, Otmar, „Kaiserlinden“ in der Gemeinde Grafschaft; in: Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 1989, Seite 189-194
ixKnoll, Gerhard, 100 Jahre Pützfeld, Kapitel „Der Wolfsgraben“ Seite 99ff; in: Ruland, Josef (Hg.), ein ländlicher Rittersitz an der Ahr – Pützfeld Elfhundert Jahre, Ahrbrück 1993
xSiehe Kapitel „Bergbau im Gebiet um Altenahr und Adenau“, Seite 252, in: Neu, Peter, Eisenindustrie in der Eifel – Aufstieg, Blüte und Niedergang, Rheinland-Verlag GmbH – Köln 1989
xiSiehe Artikel „Bergbau im Amt Altenahr“ von Amtsbürgermeister Kobs; in: Heimatkalender des Kreises Ahrweiler 1936, Seite 108
xiiWie Anmerkung 10
xiiiSchug, Peter, Geschichte der zum ehem. Kurkölnischen Ahrgaudekanat gehörenden Pfarreien der Dekanate Adenau, Ahrweiler und Remagen, Trier 1952, Seite 222
xivNach der Legende entkam Barbara dem Turm, in dem sie ihr Vater gefangen hielt; auf der Flucht öffnete sich ein Felsen und verbarg sie; - hier die Begründung, weshalb Barbara Bergbaupatronin wurde.
xvSchug, wie Anmerkung 13